Alleine reisen & leben im Campervan – ich habe mir den Traum erfüllt und lebe dauerhaft in meinem Van. Viele Frauen haben jedoch nicht den Mut, alleine loszuziehen und ihr Ding zu machen. In dieser Interviewreihe stelle ich dir Frauen vor, die ihren Traum umgesetzt haben und inzwischen Vollzeit im Van leben. Hier erfährst du, wie Anja ihr Leben in einen kleinen Citroen Berlingo mit Dachzelt verlagert hat und was sie anderen Frauen rät.
Anja, seit wann lebst du im Campervan und wie kam es dazu?
Im Spätsommer 2016 bin ich ein paar Wochen mit dem Rucksack durch Spanien, Portugal und Deutschland gereist und als ich in Tarifa war, brodelte auf einmal dieser Gedanke, im eigenen Camper zu reisen, in mir und ließ mich einfach nicht mehr los. Mich nervte es ein wenig, von der ganzen Infrastruktur, öffentlichen Verkehrsmitteln und nicht immer ruhigen oder schön gelegenen Unterkünften abhängig zu sein.
Ich lernte dort u. a. die Niederländerin Ellen de Dreu kennen, die damals mit ihrem VW-Bus unterwegs war und schon einige Zeit darin lebte und arbeitete. Nach einem Gespräch mit ihr stand mein Entschluss fest: Wohnung kündigen, Wohnmobil kaufen, Ausziehen und los!
Fünf Monate später, im Februar 2017, war es dann so weit. Meine Wohnung war aufgelöst, meine Familie irgendwie auch … Aber meine Familie kennt mich und nach einigen Erklärungen und Bestätigungen, dass ich wirklich von einer Wohnung in ein rollendes Zuhause und Büro umziehe, brachten sie mir viel Unterstützung entgegen, wofür ich sehr dankbar bin. Bei meiner Oma durfte ich in der Gartenlaube ein paar Kartons unterstellen, bei meiner Mama meine Ordner, die noch nicht digitalisiert waren und mein Papa reist virtuell so oft es geht mit mir mit.
Erst mit der Zeit und als ich bereits unterwegs war, habe ich verstanden wie wichtig es ist, Familie und Freunde nicht einfach nur vor eine Tatsache zu stellen, sondern ihnen auch den Hintergrund für diesen Schritt zu erklären und dass dieser zwar nicht endgültig sein muss, aber ich mir auch mit einem WG-Zimmer o. Ä. nichts offenhalten möchte. Andererseits bin ich auch nicht über extrem lange Zeiträume weg, sondern verbringe in Dresden dann auch immer wieder intensiv Zeit mit der Familie – schon allein, um meine Nichte und meinen Neffen aufwachsen zu sehen – und Freunden.
Übrigens war ich zunächst mit einem 30 Jahren alten Wohnmobil unterwegs und habe mich im Juli 2018 etwas verkleinert und ziehe jetzt mit einem Citroen Berlingo durch die Lande. Und ich habe es bisher nicht bereut, sondern fühle mich noch befreiter und glücklicher und unabhängiger :)
Wie ist für dich das Reisen & Leben im Van, alleine als Frau? Welche Vor-/Nachteile verbindest du damit?
Ich genieße es sehr und mir fällt in meinem mobilen Zuhause viel weniger die Decke auf den Kopf als zuletzt in meiner Wohnung in Dresden. Praktisch noch nie seit Februar 2017, da ich in dieser Zeit so unglaublich viel erlebt habe und so viele wunderbare Menschen kennenlernen durfte.
Zeit mit mir selbst verbringen kann ich hervorragend, ich kenne das auch fast gar nicht anders. Und wenn ich Gesellschaft möchte, suche ich mir diese bei Familie, Freunden und dieses Jahr auch vermehrt auf den verschiedensten Campertreffen.
- Ich kann/muss jeden Tag allein entscheiden, wohin mich mein weiterer Weg führt.
- Ich kann/muss selbst fahren.
- Ich kann/muss alleine kochen, essen gehen, aufräumen etc.
- Ich kann (oft nicht)/muss Dinge am Wohnmobil/Auto reparieren.
- Ich kann/”muss” alleine die wunderbare Landschaft um mich herum genießen.
Ich genieße die Zeit mit mir selbst in vollen Zügen, vermisse natürlich auch Zweisamkeit, das will ich gar nicht bestreiten. Um so intensiver ist dann auch wieder die gemeinsame Zeit mit alten und neuen Freunden und meiner Familie.
Hast du schon schlechte Erfahrungen gemacht allein unterwegs?
Keine wirklich schlechten, eher skurrile.
Beispiel: Im Mai 2018 fuhr ich von Spanien nach Deutschland, legte in kurzer Zeit viele Kilometer zurück und suchte mir einmal erst in der Nacht irgendwo auf einem Parkplatz etwas abseits von der Hauptstraße die Möglichkeit zum Übernachten. Am nächsten Tag fuhren einige kleine und größere Transporter immer mal wieder auf den Platz und die jeweils darin sitzenden Männer schauten recht interessiert auf mein sowie auf ein anderes Wohnmobil. Erst als mir einer dieser Männer durch verschiedene Gesten – näheres Parken, Hoch- und Herunterschieben seines T-Shirts und Spielen an seinen Brustwarzen – eindeutig zu verstehen gab, weshalb er normalerweise diesen Ort aufsucht, begriff ich, dass ich den Männern vielleicht nicht länger Hoffnung machen sollte und fuhr schließlich von dannen.
Ansonsten erlebe ich nur Gutes, weil ich einerseits darauf vertraue und auf mein Bauchgefühl höre und andererseits die Mehrheit der Menschen lange nicht so schlecht ist wie es oft in den Medien vermittelt wird. Das sieht man aber erst, wenn man rausgeht und sich die Welt und die Menschen selbst anschaut.
Womit verdienst du dein Geld unterwegs?
Ich bin bereits seit Anfang 2011 als freiberufliche Übersetzerin selbstständig und konnte auch vor meiner Reise bzw. neuen Art zu leben bereits von praktisch überall aus arbeiten. Meinen Lebensunterhalt von unterwegs aus weiter zu bestreiten, war also für mich die geringste Hürde.
Welchen „ultimativen“ Tipp möchtest du jeder allein reisenden Frau mitgeben?
Wenn du Ängste oder Bedenken haben solltest, reise vielleicht zunächst mit anderen (Frauen) ein paar Tage gemeinsam. Hol’ dir Tipps im gemeinsamen Gespräch und sammle schrittweise Erfahrung. Lies hier in Mandys Interviewreihe die tollen Berichte der anderen Mädels oder melde dich gerne bei mir, wenn du Fragen hast.
Und der ultimative Tipp, auch wenn er abgedroschen klingt: Hör auf dein Bauchgefühl und denke daran, dass keine Entscheidung endgültig sein muss. Du hast jeden Tag die Wahl, sie zu revidieren und etwas anderes zu machen.
Wenn du mehr von Anja erfahren möchtest, schau mal bei ihr vorbei:
anjapreneur.com / vanekdoten.de / campernomads.net / Instagram
Vielen Dank für deine Antworten, Anja! Ich wünsche dir weiterhin eine schöne Zeit unterwegs im Van und hoffe, dass wir uns bald mal irgendwo wiedersehen!